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Prof. Dr. Sabine Joeris im Interview

Über ausgezeichnete Lehre, Praxisnähe und Nachhaltigkeit

 
Foto: Julia Koch, THA
02.12.2025
School of Business

Ausgezeichnete Lehre, gelebte Praxisnähe und Nachhaltigkeit als Zukunftskompetenz: Im Interview spricht Prof. Dr. Sabine Joeris über ihre Lehrphilosophie, den Wert echter Praxisnähe und darüber, warum Nachhaltigkeit vor allem eine wirtschaftliche Chance ist. Außerdem erklärt sie, wie sie Studierende für verantwortungsvolles und wirtschaftlich sinnvolles Handeln begeistert.

Sie wurden beim bundesweiten Wettbewerb „Professorin und Professor des Jahres 2025“ der UNICUM Stiftung in der Kategorie Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?

Ganz besonders freut mich, dass die Auszeichnung in der Kategorie Wirtschaft verliehen wurde. Ich lehre ja überwiegend im Bereich Nachhaltigkeitsmanagement, und genau darin liegt für mich die Kunst: die Balance zu finden zwischen ökologischer Verantwortung und wirtschaftlicher Realität. Wenn Studierende, Arbeitgeber und Kollegen sagen, dass mir diese Verbindung gelingt – also Nachhaltigkeit so zu lehren, dass sie in Unternehmen wirklich umsetzbar und wirtschaftlich sinnvoll ist –, dann zeigt mir das, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen habe.

Sie wurden bereits mehrfach für die Qualität Ihrer Lehre ausgezeichnet. Wie würden Sie Ihre Lehrphilosophie in wenigen Worten beschreiben?

Ich sehe Lehre als einen gemeinsamen Gestaltungsraum, in dem Denken und Handeln zusammenkommen. Mir geht es nicht darum, perfekte Antworten zu liefern, sondern Fragen zu stellen, die zum Umsetzen anregen. Ich will, dass Studierende begreifen, dass Nachhaltigkeit kein Gegensatz zur Wirtschaft ist, sondern ein Zukunftsfaktor für sie.
Ich möchte Begeisterung wecken – für das eigene Handeln, für Verantwortung, für Pragmatismus. Denn wenn wir über Nachhaltigkeit sprechen, reden wir letztlich über die Fähigkeit, Dinge anzupacken und in Bewegung zu bringen. Lehre heißt für mich: weniger reden, mehr machen.

Welche Fähigkeiten und Kompetenzen fördern Sie gezielt, um Ihre Studierenden bestmöglich auf den Berufseinstieg vorzubereiten?

Ich fördere ganz bewusst Verantwortungsübernahme, Pragmatismus und Umsetzungsorientierung. Viele können Probleme brillant analysieren – aber wir brauchen Menschen, die auch den Mut haben, etwas zu tun. Ich ermutige meine Studierenden, Entscheidungen zu treffen, auszuprobieren, Fehler als Lernchancen zu sehen und Verantwortung zu übernehmen – für Themen, für Projekte, für Menschen.

Vielleicht kommt dieser Fokus auch daher, dass ich selbst acht Jahre lang ein mittelständisches Unternehmen als Geschäftsführerin geleitet habe. Ich weiß aus eigener Erfahrung, was es heißt, Verantwortung zu tragen – für Mitarbeitende, für Budgets, für Entscheidungen, die nicht immer allen gefallen. Und ich weiß auch, wie schwierig es sein kann, Veränderungen tatsächlich anzustoßen, wenn Strukturen, Gewohnheiten oder bürokratische Vorgaben dagegenstehen.

Der Begriff „Praxisnähe“ fällt häufig, wenn es um Ihre Lehransätze geht. Was verstehen Sie darunter konkret?

Praxisnähe heißt für mich: Wirklichkeit einbeziehen. Studierende sollen nicht in einer Modellwelt bleiben, sondern erfahren, wie es ist, Nachhaltigkeit wirklich umzusetzen – mit allen Spannungsfeldern, Zielkonflikten und Widerständen. Ein Beispiel ist unser SustainLab, das ich gemeinsam mit der IHK Schwaben aufgebaut habe. Dort bearbeiten Studierende reale Nachhaltigkeitsprojekte für Unternehmen aus der Region – sie bilanzieren CO₂-Emissionen, entwickeln Nachhaltigkeitsberichte oder erarbeiten Strategien für Lieferketten. Dabei erleben sie unmittelbar, dass es nicht reicht, ein Konzept zu formulieren, sondern dass Umsetzung bedeutet, Menschen, Prozesse und Strukturen mitzunehmen.

Wo sehen Sie noch Lücken zwischen akademischer Ausbildung und den Anforderungen der Arbeitswelt – auch in Bezug auf Nachhaltigkeit?

Ich sehe eine Lücke zwischen Wissen und wirtschaftlicher Einordnung. In der Öffentlichkeit wird oft vermittelt, dass Nachhaltigkeit vor allem eine moralische Haltung ist. In der Praxis bedeutet sie aber, Risiken zu erkennen und Chancen wirtschaftlich zu nutzen. Oft wird unterschätzt, dass der viel größere Hebel in der Wirtschaft liegt. Wenn eine Einzelperson ein Jahr lang auf Rindfleisch verzichtet, spart sie etwa eine Tonne CO₂ ein – das ist gut, aber begrenzt. Ein Unternehmen, das Photovoltaik auf dem Dach installiert und jährlich rund 100 000 Kilowattstunden Strom selbst erzeugt, vermeidet dagegen etwa 30 Tonnen CO₂ pro Jahr. Dieser Unterschied zeigt, wo die eigentliche Transformation stattfinden muss: in der Wirtschaft, wo Prozesse, Lieferketten und Investitionen ansetzen.

Dazu kommt: Mit dem europäischen Emissionshandelssystem (ETS II) wird CO₂ für immer mehr Branchen zum echten Kostenfaktor. Unternehmen, die frühzeitig Emissionen senken, schützen sich vor steigenden CO₂-Preisen und regulatorischen Belastungen. Deshalb reicht es nicht, nur an die individuelle Verantwortung zu appellieren. Unternehmen brauchen Anreize und klare wirtschaftliche Argumente: Energieeffizienz spart Kosten, CO₂-Reduktion verringert Risiken, nachhaltige Produkte schaffen Marktvorteile. Nur wenn wir diese Logik aufzeigen, wird Nachhaltigkeit nicht als moralische Zusatzaufgabe wahrgenommen, sondern als unternehmerische Notwendigkeit. Diese Perspektive versuche ich meinen Studierenden zu vermitteln: Nachhaltigkeit ist kein Ideal – sie ist eine Kernkompetenz der Zukunft.

Sie beschäftigen sich intensiv mit Lehrinnovation. Welche Veränderungen in der Hochschullehre beobachten Sie derzeit – etwa durch Digitalisierung oder KI? Welche Chancen ergeben sich daraus für eine praxisorientierte Lehre?

KI verändert auch die Nachhaltigkeitslehre. Sie kann helfen, komplexe Zusammenhänge sichtbar zu machen – zum Beispiel, Klimarisiken in Lieferketten oder Rohstoffabhängigkeiten zu analysieren. Solche Anwendungen zeigen Studierenden, dass Digitalisierung und Nachhaltigkeit keine Gegensätze sind, sondern sich sinnvoll ergänzen können. Gleichzeitig thematisiere ich aber auch die Schattenseite von KI: Je mehr Rechenleistung wir nutzen, desto höher ist der Energiebedarf. Große KI-Modelle benötigen enorme Mengen an Strom und Serverkapazität – und damit auch Ressourcen. Das steht im Widerspruch zu dem, was wir eigentlich mit Nachhaltigkeit erreichen wollen. Deshalb ist es mir wichtig, dass Studierende beides verstehen: KI kann uns helfen, Risiken früh zu erkennen und bessere Entscheidungen zu treffen, aber sie ist kein Allheilmittel. Wir müssen sie verantwortungsvoll und bewusst einsetzen – mit Blick auf ihren ökologischen Fußabdruck.

Und abschließend: Welchen Rat würden Sie jungen Lehrenden geben, die Studierende nicht nur fachlich, sondern auch beruflich stark machen möchten?

Mein Rat wäre: Einfach mal etwas Neues ausprobieren. Lehre bedeutet, gemeinsam zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Ich kann nur ermutigen, neugierig zu bleiben, Dinge auszuprobieren, Formate zu verändern und auch mal zu scheitern. Nur so wird Lehre lebendig. Die vielen didaktischen Weiterbildungen beim BayZiel bieten dafür hervorragende Impulse und praxisnahe Ideen, wie man die eigene Lehre kreativ weiterentwickeln kann.

 

Hier mehr über den Master Nachhaltigkeitsmanagement erfahren:

www.tha.de/Wirtschaft/Nachhaltigkeitsmanagement-Master