Prof. Dr. Kai Bergmann

 
Prof. Dr. Kai Bergmann lehrte auch trotz Corona-Einschränkungen.
30.11.2020

Prof. Dr. Kai Bergmann ist an der Fakultät Gestaltung und lehrt dort im Fachgebiet "Interdiziplinäre Gestaltung". Im Interview berichtet er von seinen Erfahrungen mit der digitalen Lehre und dem Home-Office.

Wie sah denn ein normaler Tag im unnormalen Sommersemester 2020 bei Ihnen aus?

 
Zumindest die Unterrichtstage fingen für mich pünktlich an. Ich habe für mich Gesundheitsrituale eingeführt wie ein wenig Sport morgens auf den Cross-Trainer. Dann habe ich Kaffee und Wasser bereitgestellt, ein Schild ›Hochschule Augsburg‹ an die Tür des Arbeitszimmers gehängt, damit meine Kinder wissen, dass ich mich im Arbeitsmodus befinde und sie nicht hineinkommen sollen. Als Videohintergrund habe ich ein Foto von unserem Masterraum eingefügt, damit man wenigstens ein wenig das Gefühl hat, man sei im Unterricht an der Fakultät für Gestaltung. 

Welche Veranstaltungen haben Sie umgesetzt?

 
Ursprünglich war z. B. ein großes Projekt mit einem Kooperationspartner vorbereitet. Es ging um eine alternative Verkehrsinfrastruktur für Augsburg. Hierzu waren Veranstaltungen geplant, beim ›Parking-Day‹ und bei der ›Radl-Woche‹, die wir mit qualitativer Forschung begleiten wollten. Das mussten wir alles absagen. Wir haben uns dann für ein Alternativprojekt entschieden und sind der Frage nachgegangen: Wie kann man kreativ produktiv sein – auf Abstand? Es entstand eine  Interviewreihe: wir fragen verschiedene Kreative an, wie diese gerade handeln. Das Ergebnis:  20 Interviews auf Youtube und Instagram mit Musikern, Kulturschaffenden, Designbüros und Forschern. Die Studierenden mussten alles selbstständig umsetzen: Interviews durchführen, ein eigenes ›Channelbranding‹ erarbeiten, betexten, veröffentlichen. Das war eine gute Alternative – und der Situation geschuldet, dass wir alles auf Distanz erarbeiten mussten.

Sie sind also pragmatisch vorgegangen und haben versucht, mit der vorhandenen Technik, die ausgefallene Interaktion zu ersetzen?

 

Ja, getroffen haben wir uns regelmäßig per Zoom – auch zur Einzelberatung –haben zudem ein ›Miroboard‹ aufgesetzt und die Fakultät bietet das eigene Kursverwaltungstool ›Incom‹ an. Das ist eine Ausgründung der FH Potsdam und extra für Design-Fakultät entwickelt. Dazu haben wir noch die Nextcloud genutzt und in Kombination lief das alles sehr gut! Die Studierenden haben für sich noch Whatsapp-Gruppen eingerichtet. Wir haben die Interviews zum Schluss digital veröffentlicht. Die Unterrichtsform hat hier sehr gut funktioniert: Einzelbesprechungen, Lehre per Zoom, Incom, Impulsrefrate der Studierende, so dass auch die sehr aktiv waren. Ich kann sagen, 100% digital zu lehren hat in diesem Semester zumindest bei meinen Kursen gut funktioniert. Und die Ergebnisse sind sehr zufriedenstellend.

Gab es auch Pläne, die digital nur sehr schwer umsetzbar waren?

 

Natürlich – neben dem Master war ein Bachelor-Projekt mit einem Kooperationspartner geplant: Für die ›Unterfahrt‹, den weltbekannten Jazzclub, sollte fiktiv ein neues Erscheinungsbild gestaltet werden. Exkursionen zur Partner-Agentur und der Unterfahrt und auch ein Gastvortrag an der Hochschule – das alles mussten wir absagen. Inhaltlich haben wir aber das Seminar digital weitergeführt. Zwei Vertreter unserer Kooperationspartners waren bei Zwischen- und Endpräsentation digital anwesend und der Vortrag fand per offenem Zoom-Meeting statt. Die Ergebnisse der Studierenden sind trotzdem richtig gut geworden.

Was waren die grössten Herausforderungen und wie haben Sie diese gelöst?

 

Technisch gibt es Probleme wie die ›Latenzzeiten‹ bei Zoom, das macht es manchmal schwierig. Auch der informelle Dialog, die kleinen ›Gespräche an der Kaffeemaschine‹, das gibt es alles nicht – dafür kenne ich auch noch kein Tool. Wenn man sich trifft, ist man im Arbeitsmodus, man trifft sich sehr viel effizienter, ist effektiver. Problematisch ist hier das fehlende Gruppengefühl, dass sich virtuell nicht herstellen lässt. Zwar habe ich regelmäßig mit Kollegen telefoniert, aber wenn man mit mehr als zwei Leuten zu tun hat, funktioniert das nicht mehr. Ich habe zu Beginn des Unterrichts immer gefragt, wie es Studierenden gehe… das war unheimlich wichtig, denn die Isolation hat die Studierenden zum Teil schon mitgenommen. Den meisten Studierenden fehlt der direkte Austausch mit der Peer-Group, das Beisammensein mit den anderen. Das größte Manko ist der fehlende Kontakt. Die sozialen Netzwerkplattformen ersetzen nicht die direkte Kommunikation, das physische Zusammen sein. Hierfür braucht es Lösungen.

Wie haben die Studierenden auf die Online-Lehre reagiert?

 

Ich habe ganz tolles Feedback zu der Lehre in diesem Semester bekommen und die Prüfungsergebnisse sind sehr zufriedenstellend. Die Kursteilnehmer waren sich einig, dass sie einige Kurseinheiten in Zukunft digital haben möchten. Vielleicht nicht vollständig, aber z. B. zu einem Drittel. Einige könnten viel Zeit bei der Anreise sparen und individualisierter studieren – das finden die Studierenden gut.

Was würden Sie von der digitalen Lehre übernehmen?

 

Die Tools wie Miro, Incom, Zoom weiterhin einsetzen, da würde ich nicht mehr zurückgehen. Das Miroboard ist ja wie eine Flipchart, nur dass Informationen, Entwürfe, Entscheidungen gleich digital zur Dokumentation zur Verfügung stehen – das ist sehr vorteilhaft. Das Digitale hilft allen –vor allem im fortgeschrittenen Semesterverlauf – zur Iteration in  Einzelbetreuung, das kann man dann ganz individuell gestalten.

Wie erging es Ihnen als Dozierender bei der digitalen Lehre?

 

Corona hat uns ganz schön ›durchdigitalisiert‹ an der Hochschule, hat uns aber auch gezeigt, dass es funktioniert. Hat Dinge realisierbar gemacht, die wir nicht für möglich gehalten hätten. Und ich glaube, dass das es gute Perspektiven sind. Auch ohne Pandemie werde ich versuchen, die Vorteile der Digitalisierung weiter umsetzen: z. B. könnte ich, wenn ich auf Konferenzen bin, digitale Sprechstunden aus dem Hotel abhalten, falls ich gutes WLAN habe…

Was möchten Sie Ihren Studierenden raten, wie man erfolgreich online studiert?

 

Offen sein für Neues, und deutlich sagen, wo es nicht gut für sie funktioniert, Wünsche formulieren. Wissen aneignen. Das ist so demokratisch geworden, wie noch nie. Gerade an der Hochschule gibt es so viele Möglichkeiten, so viele Tutorials, Alles ist für die Studierenden kostenlos – das ist ein Traum. Als ich studiert habe, gab es nur eine kleine Bibliothek und jetzt: eine gigantische Datenbank. Und erst die Fähigkeiten dieser Tools. Diese Umbruchsituation zu erleben, das ist doch auch toll.

Wie sieht die Hochschullehre der Zukunft aus?

 

Incom – das wird kontinuierlich weiterentwickelt bietet viele Optionen. Miro, sei erwähnt. Signal oder Slack für eine schnelle Kommunikation. Aber: da sage ich niemanden etwas Neues. Ich find es auch wirklich beeindruckend wie schnell die Hochschule das Zoom-Angebot bereitgestellt hat – das war klasse.

Wie sieht die Hochschullehre der Zukunft aus?

 

Ich glaube das Zauberwort heißt ›hybrid‹. Mein Lehrraum müsste zum Teil wie ein kleines Fernsehstudio eingerichtet sein. Vielleicht sind manche Studierende gar nicht vor Ort und es ist immer nur eine Gruppe anwesend, während die anderen zu Hause sind. So könnte es auch im Wintersemester funktionieren.