14.12.2020

Dr. Mahena Stief ist Professorin für Soziale Kompetenzen und Psychologie sowie Prodekanin an der Fakultät Geistes- und Naturwissenschaften. Ihre Erfahrungen aus der digitalen Lehre des letzen Semesters schildert sie in einem Interview mit Rebecca Bilger.

Wie sah ein Tag in Ihrem Corona Semester aus?

 

Zum einen habe ich meine Aufgaben als Prodekanin, zum anderen die Lehre und des weiteren Projektes, in den ich mitgestalte, wie beispielsweise der Aufbau des neuen Studiengangs Wirtschaftspsychologie. Zu Beginn des Semesters sah mein Tag so aus, dass ich für die Lehre Videos erstellt habe, die Lehreinheiten neu definiert, und Pläne umstrukturiert habe. Das war im März meine Hauptaufgabe. Ich habe im Prinzip meine gesamte Lehre als Embedded Learning bzw. Inverted Classroom aufgebaut. Das heißt, die Stoffvermittlung habe ich mittels selbst aufgenommener Videos gemacht. Zudem habe ich den Studierenden Texte zur Verfügung gestellt, worüber sie den Inhalt lernen können. Auch YouTube-Videos habe ich ihnen als Quelle gegeben, allerdings nur sehr selektiv, da ich diesbezüglich kritisch bin und wenig gefunden habe, was meinen Qualitätsvorstellungen entspricht.

Während des laufenden Semesters habe ich dann die Abgaben der Studierenden korrigiert und ihnen via Moodle Feedback gegeben. Zudem haben wir AWP-Meetings über Zoom abgehalten. Hier ging es vor allem um die Frage, wie die AWP Fächer mit den Lehrbeauftragten ablaufen sollen. Ansonsten habe ich noch unsere MitarbeiterInnen betreut und versucht, positive Stimmung zu verstreuen. Nach dem Motto: "Wir werden das alles zusammen schaffen!" 

Welche Veranstaltung haben Sie denn in diesem Semester durchgeführt?

 

Zum einen Organisationales Lernen und Change-Management im Masterstudiengang Personalmanagement, dann Rhetorik für den Bachelorstudiengang Kommunikationsdesign, außerdem AWP Fächer Kommunikationspsychologie und die Pyramid AWPs.

Und welche Tools haben Sie verwendet, um mit den Studierenden in Kontakt zu treten und zu kommunizieren?

 

Ich habe die Videos mit dem Screen Recorder aufgenommen - also die Folien sind im Bild und ich rede und bin im Bild. Das ist jetzt keine Zwei-Wege-Kommunikation... Anschließend habe ich Moodle verwendet, um Filme hochzuladen, Aufgaben zu definieren und Feedback zugeben. Manchmal auch Chats, aber eher selten.  Zoom habe ich auch eingesetzt, gelegentlich auch E-Mail und Telefon.

Und Feedback wurde in diesem Fall wie gegeben? Per Forum? Wie haben Sie das mit dem Feedback per Moodle gehandhabt?

 

Die Abgaben habe ich entweder in Moodle per Abgaben definiert und dort dann Feedback als Kommentar in der Abgabe direkt gegeben. In Foren haben die Studierenden teilweise auch Aufgaben hochgeladen. Das war dann komplizierter für mich, wenn ich den Gruppen Feedback gegeben habe. Zum Teil habe ich auch im Zoom und per E-Mail Abgaben kommentiert und Feedback gegeben.

Und wie sahen die Lehrveranstaltungen aus? Waren das Gruppenarbeiten oder Einzelarbeiten?

 

Die meisten waren Gruppenarbeiten. Im ersten Schritt sollten sie sich die Videos ansehen. Die erste Abgabe war oft eine Verständnis Aufgabe. Die weiterführenden Aufgaben, wofür Transferwissen gefragt war, waren entweder Einzelaufgaben oder Gruppenarbeiten. 

Die Studierenden sollten sich zu den hochgeladenen Abgaben - beispielsweise selbst erstellte Videos - auch gegenseitig Feedback geben. Hierfür habe ich im Übrigen unsere Nextcloud als Kommunikationstool verwendet.

Was waren Herausforderungen, auf die Sie gestoßen sind und wie haben Sie diese gelöst?

 

Die Hauptherausforderung war am Anfang die Lehreinheiten erst einmal neu zu definieren - ein neues Didaktik- und Zeitkonzept zu entwickeln. Das bedeutet, die Mischung aus selbstgesteuertem Lernen und Lehren... Im Prinzip mache ich es in der Präsenzlehre ähnlich... das Umsetzen war trotzdem sehr herausfordernd. Man muss so viel klarer und genauer Anweisung geben. Das war das A&O. Ganz genau sagen, was sie machen sollen.

Eine Gruppe hat sich beispielsweise gewünscht, ich soll jede Aufgabe, die zu einer Abgabe führt, noch einmal mit einem zweiminütigen Video beschreiben und erklären, was sie tun sollen. Das ist natürlich ungleich viel aufwendiger, als wenn ich mich in den Raum stelle und die Aufgabe gebe.

Die zweite Herausforderung war in meinem Fach Schlüsselkompetenzen. Dort geht es ja nicht darum, dass Studierende im Wissen besser zu werden, sondern im Handeln... Also im Reden zum Beispiel. Das war die zweite Hauptherausforderung. Die Frage: "Wie kann ich das Online übersetzen?" Dass ich mich nicht zurückziehe auf "ich erzähl es ihnen und am Schluss machen wir eine Prüfung." Diese interaktiven Feedbacks, dieses Ausprobieren, Lernen und Üben dabei, das war komplexer umzusetzen.

Können Sie mal ein Beispiel nennen, wie sie eine Aufgabe vom Analogen ins Digitale übersetzt haben?

 

In Rhetorik beispielsweise sollten die Studierenden erst sich selbst oder jemanden anderen vorstellen und dann bekommen sie zu dieser Vorstellung Feedback. Das mache ich üblicherweise “live”. Dieses Mal habe ich es so umgesetzt, dass sie mit dem Handy Präsentationen aufnehmen, auf die Cloud hochladen und entweder Feedback von ihrer Gruppe bekommen oder sich selbst Feedback geben in Form eines Selbstreferenzschreibens. Und auch ich habe ihnen Feedback gegeben. Das fördert zudem das Peer-to-Peer Reviewing. Das hatte ich im Präsenzraum zwar auch, Online musste ich es aber viel mehr steuern. Und als ich aufgehört habe, es engmaschiger zusteuern, haben die Studierenden es auch weniger gemacht.

Lassen sich die Aufgaben und die Vorarbeit Ihrer Lehre dieses Semesters denn in zukünftigen Semestern noch einmal verwenden?

 

Teilweise.

Im Master beispielsweise nicht, weil er eine neue Form bekommt. Bei den anderen Modulen war ich dann so schlau, alle Aufgaben so zu gestalten, dass ich sie in zukünftigen Semestern wiederverwenden kann. (Lacht)

Würden Sie also auch in Zukunft dieses Lehrformat weiterführen?

 

Ja das habe ich auf jeden Fall vor.

Und wie haben die Studierenden auf die Online Lehre reagiert?

 

Also ich wurde sehr gelobt von meinen Studierenden. Erstens waren sie froh, dass ich schnell am Start war...Ich habe im März sofort angefangen umzustellen und sie vor Ostern noch mit Aufgaben versorgt. Zweitens es war mega gut strukturiert, drittens ich habe sie emotional aufgefangen. Das haben ganz viele gesagt... Vor allem in Zoom, das ist meine Erkenntnis, muss man mega viele Emotionen reinstecken als Dozent. Man kann nicht einfach sein Programm runterziehen. 

Ich habe immer ein Spiel zum Start und zum Schluss gemacht, ich habe immer versucht sie irgendwie abzuholen, habe sie gezwungen die Kameras einzuschalten, präsent zu sein und miteinander zu arbeiten. Ich habe viel die Breakout Räume in Zoom genutzt. Und das haben die Studierenden als sehr angenehm empfunden. Und ich habe die Rückmeldung bekommen, dass es ihnen am Ende zu viel Arbeit war. Ich war sehr froh über deren Rückmeldungen

Was würden Sie Studierenden raten, um erfolgreich zu studieren?

 

Ich hatte eine höhere Drop-Out-Rate als sonst. Und zwar schon zu Beginn des Semesters. Es hat sich schnell entschieden, ob sie mit dabei bleiben oder nicht. Beim ersten Video selber drehen und hochladen, haben es schon X Prozent nicht mitgemacht. Ich hatte den Eindruck es gab Studierende, besonders in Rhetorik, die kamen mit der Online Lehre nicht zurecht ... vor allem in den Bachelor Studiengängen.

Ich denke, dass Zeit- und Selbstmanagement essentiell sind. Und ein guter Kalender. Die Studierenden waren auch ein bisschen verzweifelt, weil sie so viele verschiedene Tools zu bedienen hatten und so viele verschiedene Einladungs-E-Mails. 

Ich habe die Studierenden auch einmal gefragt, wie sie sich denn für Gruppenarbeiten treffen. Einige haben gesagt, über Zoom. Manche machen angeblich alles über eine WhatsApp Gruppe. Und das hat mich schon sehr verwundert. So viele komplexe Aufgaben über eine WhatsApp Gruppe? Das kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass das noch übersichtlich sein kann. 

Wovon glauben Sie, haben die Studierenden profitiert im Corona Semester?

 

Ich glaube, dass die Leistungen am Ende besser waren, weil die Studierenden die Aufgaben dann machen können, wenn sie sie machen wollen und Zeit dafür haben. Dieses Mal war das selbstgesteuerte Lernen viel, viel besser. Und davon, denke ich, haben sie profitiert. 

Was von dem, das Sie in diesem Semester umgesetzt haben, würden Sie in Zukunft übernehmen in Ihre Lehre?

 

Ich werde auf jeden Fall weiter digitale Lehre machen. Vor allem für Gruppenarbeiten ist das zurzeit anders sowieso nicht möglich. Ich werde meine Lehre weiter digital optimieren, werde Videos neu aufnehmen und neu konzipieren. 

Was ist momentan Ihr favorisiertes digitales Tool für die Lehre?

 

Ich persönlich fand die Breakout Räume bei Zoom wirklich gut. Die Aufgaben haben die Studierenden während der Sessions meist in Word getippt und alles konnte gleichzeitig passieren. Ich empfand das als sehr niederschwellig und einfach handhabbar. Die Abgaben Funktionen Moodle finde ich auch in Ordnung.

Was wünschen Sie sich für die zukünftige Hochschullehre? Wie könnte sie aussehen?

 

Zum einen würde ich mir wünschen, dass wir die Evaluation des Semesters genau ansehen, den Studierenden in Zukunft zu hören, was schlecht lief und dass wir Formen von Online Lehre unterscheiden lernen. Sich 90 Minuten vor Zoom zu setzen und eine Vorlesung vorzulesen ist für mich nicht wirklich Online Lehre.

Es wäre spannend darüber zu diskutieren, welche Formen von Online Lehre es gibt und vielleicht finden wir drei "Schubladen", wie bspw. den Inverted Classroom, die wir dann bedienen und in denen das Didaktik-Medien-Zentrum dann Lehrende unterstützt. Zum anderen wünsche ich mir eine Anerkennung, Honorierung für die interaktiven Teile, die ungemein zeitaufwändiger sind als Präsenzlehre. Ich würde mir eine Anpassung der LUFV an die neuen Lehrformen sehr wünschen. 

Zum anderen kann ich mir vorstellen, systematischer studentische TutorInnen einzusetzen, die Studierende bei “Doing” unterstützen. Außerdem ist die Hemmschwelle, sich an die TutorInnen zu wenden, niedriger.

Vielen Dank für Ihre Zeit und das Gespräch.